Leseprobe: Im Zickzack durchs Universum
2. Ertanian
. . . . „Ich heiße Cell und will dir helfen. Du befindest dich in großer Gefahr! Sie haben bemerkt, dass du durch das Zeittor zu uns gereist bist.“ „Moment mal“, dachte Jane. „Zeittor?“ Sie starrte zu Cell hinüber. Dann stammelte sie plötzlich: „Wieso Gefahr? Wo bin ich?“
Cell fuhr fort: „Du befindest dich auf Ertanian, einem Planeten außerhalb eures Sonnensystems. Und in Gefahr bist du nur, weil du eine Frau bist.“ „Was?“, sprudelte es aus ihr heraus. „Wieso ist das gefährlich?“, fragte Jane. „Weil Frauen in diesem Staat nur Arbeiterinnen sind, Männer haben es hier wesentlich besser“, berichtete Cell mit einem leichten Bedauern in der Stimme. „Wenn sie dich erwischen, würden sie dich zur Arbeiterin machen und du würdest in den Minen arbeiten müssen und nie wieder herauskommen.“ „Oh mein Gott“, dachte Jane. „Vom Regen in die Traufe!“
„Und wer bist du?“, fragte Jane „Bist du eine Arbeiterin?“ „Nein, ich bin die Tochter der Königin und die einzige Frau, die sich außer meiner Mutter frei bewegen darf.“ „Na toll“, sagte Jane. „Ja, ich weiß. Es war nicht immer so , aber jetzt …
Cell stand plötzlich auf und horchte in den Raum; als schien sie etwas zu hören. „Ich denke, es wird Zeit für uns. Ich werde dich von hier wegbringen.“ „Wohin denn? Muss ich wieder durch dieses grüne Tor?“, fragte Jane. „Ich will wieder nach Hause!“, jammerte sie.“ „Es tut mir Leid“, erwiderte Cell „Aber der Spalt ist wieder geschlossen. Du kannst nicht mehr zurück. Er öffnet sich nur alle vier Quare, das sind nach eurer Zeitrechnung zwei Jahre.“ „Was, zwei Jahre? Was mache ich denn jetzt? Was wird aus meinen Kindern? Oh weh, ich habe ja Kinder und ein Haus, das noch nicht abbezahlt ist! Mein Gott, was mache ich jetzt bloß?“ Jane brach völlig fassungslos auf dem Sessel zusammen.
Eben war sie doch noch in ihrer Schule, auf ihrem heiß geliebten Dachboden, und dann … ging alles so schnell und jetzt sollte sie ihre Kinder nicht mehr wiedersehen? Und dieses Gefasel von der Königin und den Arbeiterinnen! Jane stand da und verstand gar nichts mehr. Sie starrte wieder ins Feuer und hatte einen abwesenden Blick angenommen. Ihre Hirnwindungen waren so verwirrt, dass sie erst einmal alle externen Körperfunktionen einstellen musste.
Cell wurde unruhig, ging auf Jane zu und streckte ihr die Faust entgegen. Sie öffnete sie und zum Vorschein kam eine kleine bläuliche Kugel, die auf ihrer Handfläche zu schweben schien. „Bitte nimm den IMOK mit, er wird dir helfen und dir den Weg zeigen.“ Jane hatte wieder einige Hirnfunktionen im Griff und schaute nun verdutzt auf die kleine blaue Kugel. „Was ist ein Imog?“, fragte sie. „Ein IMOK ist ein mit Wissen gespeicherte Lebensform, übersetzt heißt es „Intelligente Macht ohne Körper‘. Er ist sehr nett und war mal Professor der Philosophie und vieles mehr. Er ist sehr alt und weise und heißt eigentlich Treller, aber ich nenne ihn einfach IMOK. Jetzt geht er mit dir und er wird nur dir gehorchen.“ „Hm, danke, aber was soll ich mit ihm anfangen?“, fragte Jane verdutzt. „Du brauchst ihn für deinen Flug zur Basis.“ „Welcher Flug? Zu welcher Basis?“, stammelte Jane.
Ehe Jane alles richtig begriff, steckte Cell den IMOK in eine Art Armbanduhr und band diese um Janes Handgelenk.
Jane verschlug es die Sprache, ihre Hand wurde plötzlich eiskalt und sie spürte, wie eine mächtige Energie von ihren Fingerspitzen aufwärts durch ihren ganzen Körper strömte. Es kribbelte überall, bis ihr wieder wärmer wurde und das Kribbeln in ein angenehmeres Körpergefühl überging. Plötzlich sprach jemand mit ihr. Aber dieser Jemand war nicht Cell. Dieser Jemand sprach in ihrem Kopf. Oh weh, das war wieder zu viel für ihren Verstand und sie spürte den Sessel unter sich.
„Hallo“, meldete sich eine freundliche Stimme in ihrem Kopf oder wo auch immer in ihrem Körper. Jedenfalls hörte sie ihn. „Hallo“, antwortete Jane etwas zaghaft in Gedanken. Es funktionierte, sie brauchte ihre Lippen nicht zu bewegen und er verstand sie. Das fühlte sie.
„Ach ja, bevor ich es vergesse“, unterbrach Cell, „der IMOK kann deine Gedanken lesen und nur du kannst ihn hören, also halte ihn geheim, es ist besser.“ „Na super“, dachte Jane.“ Der IMOK kicherte.
„Aber nun wird es wirklich Zeit zu gehen“, sagte Cell. „Wir müssen uns beeilen und ich nehme an, dass du keinen Raumgleiter fliegen kannst, was?“ Jane guckte sie erstaunt an. „Keine Angst, das wird dir der IMOK schon beibringen.“ Cell führte die verwirrte Jane an der Hand samt IMOK aus dem Raum in den Flur zurück. Diesmal war er irgendwie heller, aber genauso dreckig.
Sie trieb Jane zur Eile an. „Komm …, wie heißt du eigentlich?“ „Jane, ich heiße Jane.“ Cell fand den Namen eigenartig.
Ehe sich Jane wundern konnte, wurde sie plötzlich von Cell in eine dunkle Ecke gezogen. Sie hörten lautes Getrappel, als eine Horde uniformierte Soldaten im Laufschritt an ihrem Versteck vorbeirannte. „Uff, noch mal Glück gehabt, sie haben uns nicht bemerkt“, sagte Cell. „Schnell weiter!“ Links, rechts, wieder rechts, nochmals links und dann standen sie vor einem großen Tor. Es glitt auf und vor ihnen lag eine riesige Halle, in der Raumschiffe standen. Jane nahm jedenfalls an, dass diese seltsamen Blechhaufen Raumschiffe waren, denn der IMOK sagte nichts Gegenteiliges.
Cell steuerte auf eine ziemlich große Maschine zu, die zwar silbern glänzte, ansonsten aber eher einem Schrotthaufen glich. Der IMOK musste Janes Gedanken zustimmen. „Schnell hier hinein“, sagte Cell. Mit einem „Sipp“ öffnete sich die Tür und die drei verschwanden im Bauch des Raumschiffes.
Da stand sie nun, Jane Hell, Raumpflegerin, Hausfrau, Mutter von zwei Kindern, Witwe und Besitzerin eines noch nicht abbezahlten Reihenhauses, und vor ihr offenbarte sich ein phantastischer Raum. Eine Art Kommandobrücke, alles glänzte und durch die getönte, riesige Sichtscheibe des Raumschiffes konnte man die große Halle sehen.
„Los, los, Jane, nimm deinen Platz ein! Setz dich bitte hierher!“ Und Cell wies ihr den größten Sessel in der Mitte zu. „Ich werde jetzt die Startsequenz für dich einleiten und dann müsst ihr ohne mich zurechtkommen.“ „Aber ich kann das Ding doch nicht fliegen!“, stotterte Jane aufgeregt. „Ich werde dir helfen“, beruhigte sie der IMOK.
Cell setzte sich neben Jane und machte mit einem leichten Fingerdruck auf die Tastatur das Licht an. Damit wurde die Inneneinrichtung beleuchtet und das Raumschiff erstrahlte noch schöner, wie Jane fand. Jedenfalls von innen witzelte der IMOK. Cell und er versuchten Jane die Tastatur grob zu erklären. Jane stöhnte: „Mein Gott, das werde ich ja nie verstehen!“
Dann hörten sie plötzlich Stimmen von draußen. „Die Wachen!“, schrie Cell. „Wir müssen hier weg!“ In Panik ergriff sie das Steuer und bediente die Knöpfe und Hebel der Schaltkonsole. Nun ging alles sehr schnell. Das Schiff lief über die Startsequenz in den Abhebemodus ein und es war, als ob jemand Leben in das Raumschiff blies. Cell gab noch schnell das Codewort für die Weltraumschleuse ein und dann erhob sich auch schon das Raumschiff von seinem Platz sanft nach oben.
Die beiden Frauen beobachteten, wie die Wachen draußen versuchten, das Schiff mit ihren Waffen aufzuhalten. Einschüsse waren im Innern leicht wahrzunehmen. „Ziemlich sicher!“, wie Cell mit einem Grinsen im Gesicht bemerkte. Die Truppen mussten den Rückzug antreten, weil durch das Öffnen der Weltraumschleuse der Alarm loströtete.
Janes Augen leuchteten, als sich durch die geöffnete Weltraumschleuse der unendliche Weltraum vor ihr offenbarte. Sterne über Sterne – wie konnte sie nur so weit von zu Hause weg sein, und das so plötzlich? Der IMOK konnte ihr darauf auch keine Antwort geben.
„Anschnallen!“ und „Voller Schub!“, brüllte Cell und dann war es wie ein „Schwupp“ und das Raumschiff verschwand durch die Schleuse in den Weltraum.
9. Das Mädchen Keylea
Der Eingang des Einkaufscenters glich einem bombastischen Portal. Es bestand aus zwei riesigen Säulen, obenauf ein langer, breiter verzierter Balken, auf dem zwei tierähnliche Gestalten hockten, die sich ansahen. Die Tiere berührten sich mit ausgestreckten Armen und hielten ein metallenes Seil in ihren Händen, das mittig vor dem Querbalken herabhing. An seinem Ende hing ein pyramidenförmiges Pendel, welches leicht hin und her schwang. Das Pendel selbst hatte ringsherum kleine Facettenaugen, die wild umherguckten.
Jane stand bewundernd vor dem Tor. Als Trotan den ersten Schritt in Richtung Schwelle machte, meldete sich hastig der IMOK in Janes Kopf. „Pass auf das Pendel auf und berühre es auf keinen Fall, bleib ganz ruhig.“ „Wieso?“, stutzte Jane. „Warte es ab, du wirst es gleich sehen.“ Als die vier durch den Eingang gehen wollten, sauste das Pendel plötzlich von oben herab und blieb dicht über ihren Köpfen hängen. Einer nach dem anderen wurde vom Pendel eindringlich untersucht.
Das Pendel schwang sehr nah an Janes Nase vorbei, wobei sie ein „Haa … tschii!“ nicht unterdrücken konnte. Sofort fuhr das Pendel noch näher an sie heran und beäugte sie argwöhnisch. Es pendelte eine ganze Weile über ihrem Kopf und der IMOK hoffte, dass er unentdeckt blieb. Dann gewährte es Jane den Eintritt. Cell und Irisis hatten keinerlei Schwierigkeiten, in den Konsumtempel zu gelangen. Nur Trotan musste Berge von Waffen abgeben, ehe er den Eingang durchschreiten durfte.
Wie zuvor im Einsteinhotel kamen sie in eine gigantische Empfangshalle. Sie schritten an mehreren freundlich grüßenden Verkaufsrobotern vorbei und erreichten so den Rand einer offenen, mehrstöckigen Verkaufsplattform. So etwas hatte Jane noch nie gesehen; nicht in ihren wildesten Träumen hatte sie sich ein solch gigantisches Einkaufscenter vorstellen können. Sie schaute über die offene Brüstung in eine schier unendlich scheinende Halle, deren Ende sie nach oben und nach unten nicht sehen konnte. Mehrere offene Stockwerke, vollgestopft mit Waren, Käufern und Verkaufsrobotern. Überall flogen kleine Roboter durch die Luft, die irgendwelche Waren transportierten. Janes Vergleich mit einem riesigen Ameisenhügel fand der IMOK passend.
Überall leuchteten und blinkten bunte Preisschilder. Einige sprachen sogar mit ihrer Kundschaft und gaben spezielle Auskunft. Andere versuchten sich mit lautem Gebrüll Gehör bei den potenziellen Käufern zu verschaffen, das bei manchen zu Streitigkeiten untereinander führte. Jane war völlig sprachlos und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Erst als sie von Cell am Arm in einen Nebengang geführt wurde, der in eine größere Einkaufsstraße mündete, berappelte sie sich wieder.
„Cell, wo führst du mich hin?“ „Wart’s ab, es wird dir gefallen.“ „Kennst du dich hier aus? Nicht dass wir uns verlaufen.“ Aber Cell versuchte Janes Befürchtungen zu entkräften. „Ach was, verlaufen, diese Einkaufszentren sind doch alle gleich.“ Dann zerrte Cell die verdutzte Jane durch ein paar Kleiderständer, deren Preisschilder sich gerade über ihre letzte Kundschaft beschwerten. Sie kamen in einen kleinen, gemütlichen und geschmackvoll eingerichteten Raum. Cell sprach kurz mit einem Verkaufsroboter, der sie elegant in ein helles, orientalisch angehauchtes, duftendes Zimmer geleitete. Leicht wehende Stoffe hingen von einer hübschen Theaterkulisse herab. Ein Wasserspiel und leise Musikuntermalung machten das Platznehmen auf den extrem weichen Sesseln noch angenehmer. Jane hatte das Gefühl, dass sich das Sitzelement ihrem Körper angepasst hatte und sie somit keinerlei Druck empfand. „Ah, das ist richtige Entspannung“, sagte Cell und fläzte sich in das Sitzmöbel. In diesem Augenblick sauste ein Verkaufsroboter auf die beiden zu. „Eine wunderschöne Zeit wünsche ich den Damen! Ich bin Ihr Verkaufsroboter Nr. 12 für Ihre beliebig lange Zeit im Keko-Mega-Markt.“
Der Roboter war aus hochpoliertem Edelstahl gefertigt und statt auf Beinen zu gehen, rollte er auf mehreren kleinen Rädern. Er hatte vier bewegliche Arme, die er bei seiner Arbeit gut gebrauchen konnte. Trotz seines metallenen Kopfes hatte er ein sehr freundliches und sympathisches Gesicht. „Darf ich so frei sein, den Damen ein Getränk Ihrer Wahl und schönere Wetteraussichten anzubieten?“ Die beiden Frauen kicherten, weil Nr. 12 eine wirklich niedliche Art hatte, sich zu präsentieren. Cell nickte.
„Etwas zu trinken, bitte schön.“ „Meine werten weiblichen Schönheiten“, fuhr Nr. 12 fort. „Zu allen gewählten Getränken servieren wir natürlich die passenden Speisen.“ Dann reichte er Jane und Cell galant mit einer angedeuteten Verbeugung die Speisekarten.
Da aber Jane nicht das Geringste auf der Karte entziffern konnte, übernahm Cell die Bestellung. „Also, wir hätten gern zwei Drei-Farben-Cocktails plus extra, bitte schön!“ Nr. 12 lächelte und bedankte sich für die prompte Bestellung, dann verschwand er hinter den Vorhängen. „Das wird dir sicher schmecken“, sagte Cell erwartungsvoll und machte Jane damit ziemlich neugierig. Jane war fast so aufgeregt wie im „Zorkers“, obwohl sie sich ja mittlerweile an viele seltsame Sachen gewöhnt hatte. Kurzzeitig hing sie einigen Gedanken an zu Hause nach, welches so fern war, und dachte dann an ihre augenblickliche Situation. „Sag mal, Cell, meinst du, dass du es wirklich schaffen kannst, mich wieder nach Hause zu bringen, vielleicht sogar, ohne dass irgendjemand gemerkt hat, dass ich fort war?“
Aber auf ihre Antwort musste sie jetzt verzichten, da der emsige Nr. 12 die Getränke mit den passenden Beilagen auf einem kleinen Servierwagen hereinschob, mit den herzlichsten Wünschen den beiden servierte und sich anschließend taktvoll zurückzog. „Los, probier ihn schnell, bevor die Farben wieder wechseln.“ Jane griff nach dem Cocktail. Es war ein schmales, längliches Glas, das drei verschiedenfarbige, aufeinanderfolgende Flüssigkeiten beinhaltete. Im unteren Teil des Glases befand sich eine stechend hellblaue Flüssigkeit, die ein wenig perlte. In der Mitte brodelte unaufhörlich eine giftgrüne Substanz und die obere orangefarbene Lösung bewegte sich zu Janes Verwunderung überhaupt nicht. „Los, trink das Orange, bevor es umschlägt“, drängte Cell. Jane nahm all ihren Mut zusammen und nahm einen kräftigen Schluck vom Cocktail.
„Aaah!“ Sie verdrehte die Augen vor Entzücken, das Orange breitete sich wie ein Samtteppich auf ihrer Zunge aus. Gleichzeitig kribbelte es sanft von ihren Zehenspitzen her, als ob Meereskrabben ihren Weg durch ihren ganzen Körper bis in die Haarwurzeln finden wollten. Für einen kurzen Moment durchströmte sie ein Glücksgefühl, sodass sie am liebsten geschrien hätte. Ein prickelnder Eindruck der Erfrischung blieb zurück. Jane schnaufte und legte sich zufrieden in ihren Sessel. „Na, wie war’s?“, fragte Cell neugierig. „Einfach toll!“ Der IMOK empfand genauso.
Jane wollte gerade noch einen Schluck aus ihrem Cocktail nehmen, da wechselte das Orange in Giftgrün. „Halt, nicht trinken!“, rief Cell. „Bloß kein Grün, warte lieber auf Hellblau.“ Jane hatte sich vorgebeugt und beobachtete nun genau, wie sich die Farben der Reihe nach in ihrem Glas abwechselten. „Wie ist das nur möglich?“, dachte sie. Und prompt säuselte ihr der IMOK die chemischen Zusammensetzungen und damit verbundenen fatalen Wirkungen ins Ohr. „Uff, das ist ja kompliziert“, sagte Jane plötzlich laut. „Was ist kompliziert?“, fragte Cell verdutzt und trank einen Schluck Hellblau.
„Ach, Moki erklärt mir gerade, was so im Cocktail drin ist und so.“ Dann nahm Jane schnell einen Schluck Hellblau, bevor es umschlug. „Hihihi … Mokilein, wie wirkt er denn so … der Drink?“, lallte Cell, denn die hellblaue Phase hatte es mächtig in sich. Das Hellblau strömte wie eine sahnige Welle Janes Kehle hinunter und hinterließ einen sanften, beerigen Geschmack auf ihrer Zunge. Aber die Wirkung war sehr viel ausgeprägter, sodass sie Nr. 12, der gerade zurückgekehrt war, nur verschwommen wahrnahm. Der gut gelaunte Roboter reichte den leicht angeheiterten Damen ein paar auserlesene Speisehappen. „Darf ich den werten weiblichen Lebensformen unser Verkaufsshowprogramm nahe legen?“, fragte Nr. 12 höflich. Cell prustete los und auch Jane hatte der Cocktail die Sinne verwirrt, sie kicherte unaufhörlich. „Wer-te weib-liche Le-bens-for-men“, äffte Cell die überkorrekte Art des Verkäufers nach, der sichtlich pikiert reagierte.
Dann nickte Cell kichernd mit dem Kopf, was Nr. 12 als „Ja“ verstand. Er ließ per Knopfdruck eine Wand beiseite sippen und – Jane hätte sich beinahe an der grünen Phase verschluckt – eine donnernde Musik, als ob zwanzig Elefanten hinter der Bühne trampelten und trompeteten, erklang und aus dem Halbdunkel der kleinen Theaterbühne trat eine unglaublich perfekt geformte große Frau ins Licht. Sie trug ein rotes Kleid, das in Fetzen geschnitten war. Ihr Kopf war ziemlich lang nach oben gezogen und an ihrer hohen Stirn, wo sonst der Haaransatz begann, saßen hornartige Schuppen, die grünlich
glitzerten. Mehrere lange, dünne, schwarze Zöpfe hingen ihr vom Haupte bis auf die Schultern herunter. Trotz ihres wilden Gesichtsausdrucks war sie wunderschön.
Mit einem Trommelsolo begann eine wilde Tanzshow. Die große Frau fegte und wirbelte nur so über die Bühne. Während des Tanzes wechselte sie ständig ihre Kleidung. Jetzt trug sie gerade ein grünes Dschungel-Outfit und silberne Flitterstreifen fielen von oben auf sie herab. Dann wurde die Bühne grell erleuchtet und die Frau war in einem sonnengelben Abendkleid mit niedlichen Riemenschuhen zu bewundern, wobei eine Windmaschine ihre nun leuchtend roten Haare erotisch flattern ließ. Rot, weiß, grau, lila und blau, alle Farben wechselte sie in unglaublicher Geschwindigkeit. Die passende Musik unterstützte ihre Tanzshow und sorgte für die richtige Atmosphäre. „Wie macht sie das nur?“, säuselte Jane erstaunt vor sich hin. „Sie ist eine Illusionistin“, antwortete ihr der IMOK. „Die Kleidung, die du siehst, ist nicht real, sie ist nicht echt und ich glaube, die Haarfarbe auch nicht.“ „Ach!“ Jane war verdutzt.
„Sie besitzt die Fähigkeit, eine Illusion zu erzeugen, und das macht sie wirklich perfekt.“ Der IMOK schwafelte noch etwas, er habe mal eine Illusionistin gekannt, die das nicht so gut konnte, das mit der Verwandlung und, dass es ziemlich peinlich wurde. Und dann murmelte er noch was wie, mit halbem Herrenanzug und halbem Bärenfell. Aber Jane hörte ihm schon lange nicht mehr richtig zu. Sie war so sehr angetan von den grazilen Bewegungen und den anmutigen, perfekten Verwandlungen der Tänzerin.
„Schau mal, Jane, wie findest du das dunkelgrüne Outfit mit dem halben Rock? Das würde dir sicher gut stehen!“ „Ich finde alle Kleider sehr hübsch!“ Jane klang unentschlossen. „Vielleicht das Blaue mit Silber?“ Der IMOK fand das Petrolgrüne passender. Während Cell noch überlegte und an ihrem Drink nippte, ging die Kleidershow mit einem donnernden Trommelwirbel, einem kleinen Feuerzauber und einem Haufen Flitter dem Ende entgegen. Anschließend stand die Tänzerin zur persönlichen Kleiderschau den beiden Kundinnen zur Verfügung. Sie wechselte nun nach Wunsch für die beiden ständig kichernden Frauen ihr Outfit. „Nein, nein, nein, das Rosa steht dir nicht … ja, wenn du vielleicht schwarze Haare hättest, dann … hihi …, aber hast du ja nicht!“, grölte Cell vorlaut.
„Da! Das da, halt mal an!“, brüllte Jane völlig unqualifiziert auf die Bühne. Die Tänzerin befolgte ihren Wunsch und blieb bei Illusionserscheinung Nr.26 stehen. Jane hatte sich sofort verliebt, in ein augenbetörendes, dunkellila langes Kleid. „Das ist es, kann ich es mal anprobieren?“ „Aber sicher.“ Und Nr. 12 sprang sofort mit einem Maßbandscanner auf sie zu. Cell rümpfte die Nase. „Sieht nicht sehr praktisch aus.“ „Ja, stimmt, aber dafür sieht es super aus“, sagte Jane, die gerade die Arme hob, damit Nr. 12 Maß nehmen konnte. Anschließend verschwand der Roboter wieder hinter den Vorhängen. Jane ging auf die Bühne und schaute fasziniert auf die Tänzerin und das schöne lila Kleid. Sie zupfte mal hier, mal da … und plötzlich sprach die Illusionistin mit ihr. Sie gab Jane Auskunft über das Material des Kleides und deren Verarbeitung.
Cell hatte es sich gerade wieder bequem gemacht und trank genussvoll an ihrem Cocktail, da hörte sie, wie Jane die Tänzerin nach ihrem Namen fragte und wo sie herkomme. Cell pustete mit ihrem Strohhalm ins Glas, sodass alle drei Phasen zusammen aufschäumten. Dann sprang sie aus ihrem Sessel auf und … „Halt, Jane, nicht! Was tust du da?“ Doch es war schon zu spät, denn in diesem Augenblick antwortete ihr die Illusionistin freundlich: „Ich heiße Keylea und komme von Tricolor14.“ „Mist!“, fluchte Cell. „Zu spät! Weißt du, was du da getan hast?“, fauchte sie Jane an. „Nein“, antwortete Jane verdutzt. „Äh …, aber ich bekomme gerade die Erklärung vom IMOK . . . .
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